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Neue Sonderregelungen für Vereine bis 31.12.2021: Online-Versammlungen, Stimmabgabe ohne Anwesenheit und Umlaufbeschlüsse in Textform

Virtuelle Mitgliederversammlung und Verschiebung der MV wird erleichtert

Die Durchführung virtueller Mitgliederversammlung und die Verschiebung der Versammlung wird mit Änderung der Sonderregelungen zur Corona-Pandemie erleichtert.

Der Bundesrat hat die Änderung des „Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs-und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie“ gebilligt.

Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des BGB kann der Vorstand künftig auch ohne Ermächtigungen in der Satzung vorsehen, dass Vereinsmitglieder (…) an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilnehmen, und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können oder müssen (…).

Neu ist, dass der Vorstand die virtuelle Versammlung verbindlich anordnen kann. Bisher war das nur eine Kann-Regelung. Die Mitglieder konnten sich deswegen darauf berufen, dass ihnen eine Teilnahme mangels technischer Ausstattung und Kenntnisse nicht möglich ist. Deswegen musste die virtuelle Versammlung regelmäßig durch die Möglichkeit der schriftlichen Abstimmung ergänzt werden.

Ebenfalls gesetzlich klargestellt wird, dass der Vorstand die Mitgliederversammlung ohne rechtliche Folgen verschieben kann, „solange die Mitglieder sich nicht an einem Ort versammeln dürfen und die Durchführung der Mitgliedersammlung im Wege der elektronischen Kommunikation für den Verein oder die Vereinsmitglieder nicht zumutbar ist“.

Das Gesetz tritt zwei Monate nach Verkündung in Kraft. Das wird voraussichtlich im März 2021 sein. Diese Übergangsregelung gilt bis Ende 2021.

https://www.vereinsrecht.de/neue-sonderregelungen-fuer-vereine.html

Der Bundestag hat in dem Gesetz vom 27.03.2020 (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht) unter anderem auch vorübergehend Sonderregelungen zu Vorschriften des zivilrechtlichen Vereinsrechts, welche im Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu finden sind, vorgesehen. Das Gesetz enthält nun Erleichterungen für Vereine, um deren Handlungsfähigkeit während der Corona-Krise aufrechtzuerhalten. Die neuen Sonderregelungen durch Gesetz vom 27.03.2020 zu den zivilrechtlichen Vereinsvorschriften galten ab dem Tag nach der Gesetzesverkündung im Bundesgesetzblatt (28.3.2020) und zunächst bis zum 31.12.2020. 

Die Sonderregelungen für Vereine sind durch die „Verordnung zur Verlängerung von Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie (GesRGenRCOVMVV)“ vom 20.10.2020 bis zu 31.12.2021 verlängert worden.

Die Verordnung ist am 28.10.2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden (BGBl I 2020, 2258). Sie ist somit zum 29.10.2020 in Kraft getreten.

Von den Erleichterungen profitieren eingetragene Vereine und nicht eingetragene Vereine gleichermaßen.

Der für Vereine relevante Auszug aus dem Gesetzestext des neuen Gesetzes lautet:

Artikel 2 (Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht)

[…]

§ 5

Vereine und Stiftungen

(1) Ein Vorstandsmitglied eines Vereins oder einer Stiftung bleibt auch nach Ablauf seiner Amtszeit bis zu seiner Abberufung oder bis zur Bestellung seines Nachfolgers im Amt.

(2) Abweichend von § 32 Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs kann der Vorstand auch ohne Ermächtigung in der Satzung Vereinsmitgliedern ermöglichen,
1. an der Mitgliederversammlung ohne Anwesenheit am Versammlungsort teilzunehmen
und Mitgliederrechte im Wege der elektronischen Kommunikation auszuüben oder
2. ohne Teilnahme an der Mitgliederversammlung ihre Stimmen vor der Durchführung der
Mitgliederversammlung schriftlich abzugeben.

(3) Abweichend von § 32 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist ein Beschluss
ohne Versammlung der Mitglieder gültig, wenn alle Mitglieder beteiligt wurden, bis zu dem
vom Verein gesetzten Termin mindestens die Hälfte der Mitglieder ihre Stimmen in Textform
abgegeben haben und der Beschluss mit der erforderlichen Mehrheit gefasst wurde.

Nachfolgend die Erläuterungen und Praxistipps zu den Gesetzesabweichungen nach Absätzen und im Einzelnen:

1.  § 5 Absatz 1: Vorstände bleiben auch ohne Satzungsregelung bis zur Neuwahl im Amt

Gesetzeslage vor dem Gesetz vom 27.03.2020

Die allgemeine Amtszeit von Vorstandsmitgliedern ist gesetzlich nicht geregelt. Sie wird durch eine Regelung in der Satzung bestimmt, z.B. vier Jahre ab dem Zeitpunkt der Wahl.

Die Amtszeit von Vorstandsmitgliedern von Vereinen, die für eine bestimmte Zeit bestellt wurden, endet mit Zeitablauf grundsätzlich automatisch.

Da jede Änderung bei eingetragenen Vereinen zum Vereinsregister eingetragen werden muss (§ 67 Abs. 1 BGB), ist die Löschung des nach Ablauf der Amtszeit nicht mehr im Amt befindlichen Vorstands aus dem Vereinsregister per Gesetz grundsätzlich vorgeschrieben. Die Anmeldung der Löschung zum Vereinsregister müssen die neu gewählten Vorstandsmitglieder vornehmen. Wird diese gesetzliche Pflicht nicht beachtet, so kann das zuständige Amtsgericht, welches das jeweilige Vereinsregister des Gerichtsbezirks führt, ein Zwangsgeld gegenüber dem pflichtwidrig handelnden Verein festsetzen (§ 78 BGB).

Wenn nicht rechtzeitig vor Ablauf der Amtszeit des amtierenden Vorstands die vertretungsberechtigte Zahl an BGB-Vorstandsmitgliedern (§ 26 BGB) bestellt werden kann, führt dies grundsätzlich dazu, dass der Verein nicht mehr ordnungsgemäß vertreten werden kann. In diesen Fall könnte ein ehemaliges Vorstandsmitglied mithilfe der anerkannten Notkompetenz noch eine Mitgliederversammlung mit dem Tagesordnungspunkt der Vorstandswahl nach den Satzungsvorgaben einberufen, solange er noch in Vereinsregister eingetragen ist. Ist kein ehemaliges Vorstandsmitglied mehr in das Vereinsregister eingetragen, so bleibt dem führungslosen Verein nur die Anrufung des zuständigen Amtsgerichts, sodass dieses Gericht einen kostenpflichtigen Notvorstand für den betroffenen Verein bestellt (§ 29 BGB).

Sonderregelung durch das Gesetz vom 27.03.2020

Durch die Sonderregelung des § 5 Absatz 1 wird bestimmt, dass alle Vereinsvorstände nunmehr bis zur Neuwahl im Amt bleiben, auch wenn die Satzung dies nicht vorsieht. Dadurch soll eine ordnungsgemäße Vertretung der Vereine für den Fall gesichert werden, dass eine entsprechende Satzungsregelung fehlt und Amtszeiten von Vorstandsmitgliedern abzulaufen drohen. Insofern kann aufgrund der Corona-Krise keine Führungslosigkeit eines Vereins trotz auslaufender Amtszeiten und fehlender Neuwahl auftreten.

Fazit: Die bisherigen Vorstandsmitglieder können durch die Sonderregelung auch nach Ablauf ihrer Amtszeit im Amt bleiben, solange sie nicht abbestellt werden und keine Neuwahl des Vereinsvorstands erfolgt ist. Eine Führungslosigkeit von Vereinen wird somit vermieden.

Praxistipps

2. § 5 Absatz 2: Online-Mitgliederversammlung und Stimmabgabe ohne Anwesenheitserfordernis

a. Online-Mitgliederversammlungen (§ 5 Absatz 2 Nummer 1)

Gesetzeslage vor dem Gesetz vom 27.03.2020

Eine Mitgliederversammlung über das Internet, beispielsweise durch Videokonferenz ist nur dann ohne Weiteres möglich, wenn die Satzung des Vereins dies ausdrücklich zulässt. Zu beachten ist, dass, wenn eine Online-Versammlung in der Vereinssatzung geregelt ist, diese nicht den Anforderungen des § 32 Abs. 2 BGB unterliegt und somit die Zustimmung der Mitglieder nicht erforderlich ist, ebenso wenig wie die Schriftform. Die Abhaltung einer Mitgliederversammlung über das Internet ohne Satzungsgrundlage und ohne die Zustimmung aller stimmberechtigter Mitglieder ist grundsätzlich unzulässig.

Sonderregelung durch das Gesetz vom 27.03.2020

§ 5 Absatz 2 schafft als Sonderregelung zu § 32 Absatz 1 Satz 1 BGB die gesetzlichen Voraussetzungen, um auch ohne ausdrückliche Ermächtigung in der Satzung, „virtuelle“ Mitgliederversammlungen durchzuführen. Ohne diese neue Regelung und ohne besondere Satzungsregelung müssten Mitgliederversammlungen stets als Präsenzveranstaltung durchgeführt werden. Das wurde in der aktuellen Situation allerdings verboten.

Fazit: Es ist nunmehr ohne besondere Satzungsregelung möglich, alle Mitgliederversammlungen eines Vereins virtuell abzuhalten.

Praxistipps

b. Stimmabgabe ohne Anwesenheit und vor der Mitgliederversammlung (§ 5 Absatz 2 Nummer 1)

Gesetzeslage vor dem Gesetz vom 27.03.2020

Das Stimmrecht eines Mitglieds zu einem Tagesordnungspunkt kann grundsätzlich nur persönlich, nur während der Mitgliederversammlung und nach Aufforderung zur Stimmabgabe durch den Versammlungsleiter erfolgen. Wird ein neues Vorstandsmitglied gewählt und ist auch der Versammlungsleiter hier wählbar, sollte die Versammlungsleitung für die Wahl des Vorstands an ein Mitglied des Vereins durch Beschluss der Mitgliederversammlung übertragen werden. Wenn der wählbare Vorstand selbst die Versammlung leitet, ist er befangen.

Die Satzung kann vorsehen, dass die Stimmabgabe durch einen Stellvertreter zulässig ist. Regelmäßig wird dabei die Person des Stellvertreters auf die Mitglieder des Vereins beschränkt. Zudem sollte die Anzahl der Stimmen, die eine Person auf sich vereinigen kann, begrenzt werden.

Sonderregelung durch das Gesetz vom 27.03.2020

Durch die Sonderregelung des § 5 Absatz 2 Nummer 1 wird es auch Mitgliedern, die nicht an der Mitgliederversammlung teilnehmen, ermöglicht, ihre Stimmrechte auszuüben. Jedes Mitglied kann somit, nach Erhalt der Einladung und der Tagesordnung zu der nächsten Mitgliederversammlung, seine Stimme zu jedem Tagesordnungspunkt durch eigenhändig unterzeichnetes Schreiben vor der Versammlung in Vorhinein abgeben. Die Stimmabgabe wird sodann während der nächsten Mitgliederversammlung, für die die Stimmabgabe bestimmt ist, verwendet.

Hierdurch soll zum einen die Stimmabgabe auch für Personen ermöglicht werden, die nicht die technischen Fertigkeiten haben, um an einer virtuellen Mitgliederversammlung sinnvoll teilnehmen zu können. Zum anderen werden ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen vor den aktuellen Gefahren der Ansteckung durch Tröpfcheninfektion während Präsenzveranstaltung geschützt und können trotzdem ihre Stimmrechte wahrnehmen.

Fazit: Mitglieder können künftig ihre Stimme bereits nach Erhalt der Einladung und vor der eigentlichen Mitgliederversammlung gegenüber dem Verein in Schriftform (mit eigenhändiger Unterschrift) abgeben.

Praxistipps

c. Stimmabgabe kombinieren: Online-Mitgliederversammlung und Stimmabgabe ohne Anwesenheit und vor der Mitgliederversammlung (§ 5 Absatz 2 Nummer 1 und 2)

Die Durchführung von Abstimmungen während einer Online-Mitgliederversammlung kann zudem mit der Stimmabgabe ohne Anwesenheit und vor der betroffenen Online-Mitgliederversammlung kombiniert werden.

So kann ein Teil der Mitglieder ihre Stimme auf der Online-Mitgliederversammlung abgeben, während die anderen Mitglieder ihre Stimmabgaben zu den Tagesordnungspunkten im Vorhinein schriftlich an den Verein zu Händen des Vorstands per Post übermitteln.

3. § 5 Absatz 3: Beschlussfassung außerhalb einer Mitgliederversammlung im Umlaufverfahren und ohne das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung aller stimmberechtigen Mitglieder

Gesetzeslage vor dem Gesetz vom 27.03.2020

Nach § 32 Absatz 2 BGB ist für einen Beschluss außerhalb einer Mitgliederversammlung im Umlaufverfahren die schriftliche und ausdrückliche Zustimmung aller Mitglieder zu einer konkreten Beschlussvorlage erforderlich. Ein „Umlauf“ eines Beschlusses ist dabei gegeben, wenn die Mitglieder die konkrete Beschlussvorlage jeweils nacheinander mit den bisherigen Unterschriften per Post erhalten und sodann unterzeichnen. Nach der Unterzeichnung wird die Beschlussvorlage an das nächste Mitglied gesendet bis alle Mitglieder unterzeichnet haben. Die unterzeichnete Beschlussvorlage wird sodann an den Verein zu Händen des Vorstands übersendet und ist nach Kenntnisnahme eines BGB-Vorstandsmitglied als Empfangsvertreter auch wirksam.

Sonderregelung durch das Gesetz vom 27.03.2020

Die Anforderungen an Beschlussfassungen außerhalb einer Mitgliederversammlung im Umlaufverfahren werden durch § 5 Absatz 3 erleichtert. Für einen Umlaufbeschluss ist nun nicht mehr die schriftliche Zustimmung aller stimmberechtigen Mitglieder erforderlich.

Die Beschlussfassung im Umlaufverfahren ist sodann bereits zulässig, wenn mindestens die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder in Textform (per Fax, E-Mail oder Brief) tatsächlich ihre Stimme zu der Beschlussvorlage gegenüber dem Verein zu Händen des Vorstands abgegeben haben (Mindestquorum). Der Verein muss gegenüber den Mitgliedern eine terminliche Frist für die Stimmabgabe festsetzen. Die Gesetzesbegründung zu § 5 Absatz 3 enthält für diese Fristsetzung keine Hinweise. Es ist aber anzunehmen, dass die Frist einen angemessenen Zeitraum umfassen muss. Wann eine Angemessenheit der Fristsetzung vorliegt, ist je nach Art und Größe des Vereins im Einzelfall zu entscheiden. Grundsätzlich kann man aber von einer Angemessenheit der Frist ausgehen, wenn diese einen Zeitraum von 3 bis 4 Wochen umfasst.

Für die Wirksamkeit der zulässigen Beschlussfassung ist dann bereits die Mehrheit nach den gesetzlichen Regelungen oder denen der Satzung ausreichend. Grundsätzlich wird für eine Beschlussfassung somit die Mehrheit der abgegebenen Stimmen (> 50 %) ausreichend sein.

Fazit: Vereine können nun Beschlussfassungen außerhalb von Mitgliederversammlung per Umlaufverfahren ohne das Erfordernis der schriftlichen Zustimmung aller stimmberechtigen Mitglieder durchführen. Sind alle Mitglieder beteiligt worden und hat der Verein eine angemessene Frist zur Stimmabgabe gesetzt, so sind Umlaufbeschlüsse wirksam, wenn die Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder ihre Stimme in Textform abgegeben hat.

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